24.11.2023

Aus heiler Welt zurück ins Kriegsgebiet in der Ukraine

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Es waren drei ereignisreiche Wochen, die die ukrainischen Schülerinnen und Schüler in Hemer verbrachten. Vor allem waren sie friedlich.
Es waren drei Wochen zum Durchatmen. Wenn man diesen Satz liest, gehen die Gedanken vielleicht in die Richtung, dass da jemand vielleicht vorher beruflich stark gefordert war oder ansonsten in irgendeiner Form Stress gespürt hat. In diesem Fall geht es um etwas ganz anderes – um den Krieg in der Ukraine.

Abstand zum grausamen Geschehen im Kriegsgebiet

Das Woeste-Gymnasium in Hemer hatte Besuch von ukrainischen Schülerinnen und Schülern, die aus dem Kriegsgebiet angereist sind, um im Rahmen des „Recreation Programms“ der UNESCO etwas Abstand zu gewinnen und sich zu erholen. Nach dreitägiger Anreise war die Gruppe da und wurde im Gymnasium willkommen geheißen. Die große Frage, die alle vor der Ankunft ihrer Gäste bewegte: Wie verhält man sich, wenn man Menschen gegenüber steht, die aus einem Kriegsgebiet kommen? Menschen, die zusammenzucken, wenn sie laute Geräusche hören, weil sie denken, der Beschuss geht wieder los. Alle haben sich Gedanken gemacht, aber schnell gemerkt, dass die Jugendlichen einfach die Zeit in Hemer genießen wollten, ohne viel aus der Heimat zu erzählen.

Ein Leben mit dem Krieg

„Wir werden in unserer Heimat informiert, um was für Raketen es sich handelt, die auf unsere Stadt geschossen werden. Entweder können wir in der Wohnung bleiben, oder wir müssen in den Keller gehen“, sagt Lehrerin Olena Sopina am Donnerstag im Gymnasium, wo ein letztes gemeinsames Kaffeetrinken stattgefunden hat. Sie lebe mit dem Krieg, tagsüber sei das aber einfacher. „Nachts in der Dunkelheit ist es besonders schlimm. Wir leben in ständiger Angst“, so die 42-Jährige.

„Nachts in der Dunkelheit ist es besonders schlimm. Wir leben in ständiger Angst.“

Olena Sopina

Eishockey, Theater und neue Freundschaften

Eigentlich ist die Stimmung durchweg aber sehr gut, die Jugendlichen reden durcheinander und freuen sich über die schönen Dinge, die sie in Hemer und der Region erlebt haben. Einige von ihnen waren in Gastfamilien untergebracht, andere wohnten zusammen mit den Lehrerinnen in einem Iserlohner Hotel. Der Besuch des Sauerlandparks und des Wildwald Vosswinkel waren unter anderem Ziele, die die Gruppe angesteuert hat. Aber die jungen ukrainischen Gäste haben auch ein Eishockeyspiel der Iserlohn Roosters gesehen, glücklicherweise einen Sieg. Zudem sahen sie sich eine Aufführung im Parktheater an, aber auch ein Besuch an der Fachhochschule Iserlohn stand auf dem Plan. „Die Fachhochschule hat alle sehr beeindruckt“, sagt Olena Sopina. Und ganz wichtig: Die Jugendlichen haben Freundschaften geschlossen.

Schlechte Nachrichten aus dem Kriegsgebiet

Thematisch geht es im Gespräch hin und her, und sie erzählt, dass sie am Mittwoch sehr schlechte Nachrichten aus der Heimat bekommen hat. Sie hat einen 35-jährigen Bruder, der als Soldat schwer verletzt wurde. Was genau ihr Bruder hat, das weiß die Lehrerin aktuell noch nicht. Wichtig ist für sie, dass er lebt.

Ein Abschiedsgeschenk für das Woeste-Gymnasium

Es ist ein Wechselbad der Gefühle, das sich schwer beschreiben lässt. Zum einen versucht die Lehrerin, ihren Schülern viel mitzugeben und die Zeit in Hemer abwechslungsreich zu gestalten. Zum anderen sind da die Gedanken an ihre Familie zu Hause, die sie gut überspielt. Sie lächelt und ist glücklich, Schulleiter Dr. Jörg Trelenberg ein Geschenk von ihrer Schule überreichen zu können. Dieses übergibt sie zusammen mit ihrer Kollegin, verbunden mit dem Wunsch und der Hoffnung, dass der Kontakt zwischen den beiden UNESCO-Schulen auch weiterhin bestehen bleibt. „Auch wenn es nur online geht“, sagt sie. Beide Seiten haben in den vergangenen drei Wochen viel übereinander erfahren und auch einen Einblick in die andere Kultur bekommen.

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50 Teile eines Kunstwerks, die verbinden

Zusammen mit der Hemeraner Künstlerin Angela Beckmann-Hannibal haben die deutschen und ukrainischen Jugendlichen ein schönes Kunstprojekt umgesetzt. Zum einen haben sie sich mit Picasso, zum anderen mit Andy Warhol beschäftigt. Angelehnt an letzteren Künstler hat jeder ein Teil zu einem großen Gesamtkunstwerk beigesteuert, das aus 25 Einzelstücken besteht und 2 x 2 Meter groß ist. Im Woeste-Gymnasium hat das Bild auch schon einen besonderen Platz gefunden, und wenn die ukrainischen Schülerinnen und Schüler bald wieder zu Hause sind, wollen auch sie einen schönen Platz für ihre Hälfte des Kunstwerks finden – wenn sie denn wieder sicher in ihre Schule können, denn die steht, wie Olena Sopina sagt, nah an der Front. Auch sie haben 25 Teile, die sie mitnehmen. Dieses große Bild verbindet beide Schulen.

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Impressionen von den Aktivitäten

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Text und Fotos 1-3: Carmen Ahlers / IKZ
Fotos Impressionen: privat



Letzte Änderung: 24.11.2023