05.11.2023

SV-Spendenaktion zur Unterstützung marokkanischer Familien in der Erdbebenregion Tamara

WOESTE SV führte mit Unterstützung des Fördervereins sehr erfolgreiche, umfangreiche Spendenaktion für einige Erdbebenopfer in Marokko durch

Das Erdbeben, welches sich in der Nacht vom 8. September auf den 9. September ereignete, hatte sein Epizentrum ca. 70 km von Marrakech entfernt in der Atlas-Region und erreichte laut Medienberichten eine Stärke von 6,8 auf der Richterskala.

Der Schwager einer unserer Lehrkräfte, El Massir Guenak, hat jahrelang in Amizmiz, am Rande des Atlasgebirges gewohnt und als Grundschullehrer in Tamara, einem der umliegenden Dörfer,  im Kreis Dar Jamaa gearbeitet.
Als er in Trauer erzählte, dass er von Überlebenden des Dorfes kontaktiert worden sei, die ihm vom Verlust ihrer Kinder berichteten, entstand im Kollegium die Idee, die SV des Woeste zu fragen, ob Interesse bestehe, einigen dieser Familien gezielt zu helfen.
Hintergedanke der Spendenaktion - um es mit den Worten des Schülersprechers, Marvin Wilde zu sagen:
„Im Namen des Friedrich- Leopold- Woeste-Gymnasiums möchten wir unser Beileid aussprechen. Wir hoffen, dass unsere Spende euch etwas Hoffnung für die Zukunft und wieder Mut zum Leben gibt.
Auch wenn der Moment hoffnungslos erscheint, gebt bitte niemals auf! Eure Familie wird trotzdem jeden Tag an euch denken und es werden wieder bessere Zeiten kommen.“

Nicht nur mit unglaublich viel Herz, sondern auch mit überwältigendem Engagement waren alle Beteiligten dabei! Innerhalb von nur 2 Wochen stellten sie Unmöglich-Scheinendes auf die Beine:
Die Schülerzeitungs-AG wurde von Neuzugängen (Manray und Yuvray) und Mitgliedern der SV, wie Linus, der direkt noch mehrere andere Klassenkamerad*innen aus den 5. Klassen rekrutierte (Jonas und Julius), unterstützt. Auch Emilia , Sophie F. und Lilly H. aus der Stufe 8 unterstützen das Team. Texte wurden verfasst und Poster gestaltet und das Ganze innerhalb von nur knapp einer Woche!

Luca N. und Francesca P. (Q2) ergriffen bereits am Weltkindertag die Initiative, gestalteten einen Text und baten die Besucher der Hemeraner Veranstaltung zum Tag um Spenden. Unglaubliche 200 Euro kamen bereits bei dieser Aktion zustande, da die Tanzgruppe unter Leitung von Frau Hennemann (Karole, Leonie, Zinya, Ella, Hayden) die Spendenaktion bei ihren Auftritten massiv bewarb und die engagierten Teilnehmerinnen nicht nur am Weltkindertag, sondern auch bei den Hemeraner Herbsttagen mit einer Spendenbox unter den Gästen unterwegs waren!

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Marvin Wilde hatte den Förderverein kontaktiert und gewann ihn als Unterstützung. Bei den Hemeraner Herbsttagen wurden eine Spendenbox und Poster am Woeste Förderverein- Stand platziert.

Die UNESCO AG war auch aktiv dabei und verschenkte Rosensamen im Austausch für eine Spende an die Erdbebenopfer.
Als wäre dies alles nicht bereits unglaublich, veranstaltete die SV zusätzlich noch einen kurzfristig geplanten Waffel- und Kuchenverkauf in der Woche vor den Herbstferien! Unsere Schüler*innen und Eltern backten Kuchen und Waffeln, die am Donnerstag vor den Ferien in den Pausen verkauft wurden, um den Verkaufserlös noch auf die anderen Aktionen zu addieren.

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Auch das Kollegium wurde explizit von den Tanz-AG Teilnehmerinnen angesprochen, und die Kolleg*innen spendeten großzügig.
Die Yoga-Villa in Iserlohn beteiligte sich ebenso an der Aktion und stellte eines der von den Schüler*innen erstellten Poster auf, bewarb die Aktion mit Herz und erzielte ebenso eine Spende von knapp 200 Euro!

UNGLAUBLICHE 1500 Euro kamen bei der Aktion zustande!!!

Das kann uns nur alle mit Stolz erfüllen, und man kommt nicht umhin zu bemerken: Besäßen alle Menschen einen Funken des Empathievermögens unserer Schülerschaft, wäre uns der Weltfriede sicher!

Der Ort
Das Dorf Tamara liegt ungefähr 20-25 km vom Erdbeben-Epizentrum entfernt.

Die Empfänger
Fatima El G.
Fatima hat bei dem Erdbeben ihren Mann und 4 ihrer 6 Kinder verloren.

Mbark A.M.
hat seine Frau und 2 seiner 3 Kinder verloren.

Abderrahim O.
ist ein ehemaliger Schüler El Massirs. Trümmer, die ihn begruben, haben eine Gesichts-OP notwendig gemacht.

Ich fuhr zusammen mit meinem Mann, Sohn und meinem Schwager El Massir in das Dorf, um die Familien zu treffen.
Die letzten ca. 5km zum Dorf waren holprig, wie die Bilder zeigen. Nicht alle Straßen sind geteert. Die Umgebung sieht wunderschön aus – wie auf den Bildern zu sehen – und der Anblick erfüllte mich mit Wehmut in Gedanken daran, dass etwas so Zerstörerisches wie das Erdbeben im September hier gewütet haben sollte, wo alles so perfekt und friedlich schien...

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Der Kontrast erfolgte, als wir in Dar Jamaa eintrafen. Wir stellten die Autos ab, und kurz davor machte ich aus Gründen des Respekts ein einziges Foto von Teilen des Dorfes. Auf dem Foto sind Reste zweier Häuser am Dorfeingang zu sehen. Ich vermutete, dass das Bild beim Eintritt in das Dorf ähnlich sei, doch als wir an den auf dem Bild zu sehenden Resten der Gebäude vorbei in das Dorf abbogen, bot sich ein anderes Bild.

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Es war NICHTS mehr da... Keine erkennbaren Wände oder als Reste eines Gebäudes zu identifizierenden Geröllteile. Nur Berge von unförmigen Steinen und Staub. Die Trauer, die man selbst als unbeteiligte Person bei diesem Anblick empfindet, besonders wenn man gleichzeitig sämtliche – vermutliche alle – übrig gebliebenen Dorfbewohner eifrig umherlaufen, kochen, Tee zubereiten, an Provisorien zum Schutz vor Wetterereignissen arbeiten sieht, kann ich nicht beschreiben.
,Wie kann man bei diesem Anblick die Hoffnung nicht verlieren?‘ ist die Frage, die mir durch den Kopf ging.
Darauf als Außenstehende eine Antwort zu formulieren, ist unmöglich.

Aber die Menschen in Tamara haben ihre Antwort wohl gefunden und diese lautet anscheinend: Wiederaufbau in Gemeinschaft. Noch bevor wir das Festzelt (ironischerweise waren die Zelte des Dorfes „Festzelte“, Zelte die an den Ecken offen sind und die Zelte sind aus Stoff, d.h. nicht wasserabweisend) betraten, berichteten uns die Dorfbewohner, dass sie bislang keinerlei Hilfen des Staates erhalten hätten, weder finanzielle, noch anderweitige. Stolz erzählten sie, dass sie alle Zelte alleine aufgebaut hätten und dass alle Hilfen von Freunden oder anderen Privatpersonen gekommen seien.

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Einige Männer, darunter auch einer der Söhne der Familien, waren dabei, eine große Blechhütte aufzubauen. Das sei notwendig, weil die Festzelte keinen Regen abhielten und es in der Region durchaus auch mal regne. Im großen Festzelt angekommen trafen wir auf Fatima, die uns begrüßte, sich dann aber zurückzog zu einer Frau, die in der Ecke des Zeltes auf Decken lag und verletzt war. Wie Mbark uns sagte, sei dies ihre Schwiegermutter, die durch Trümmerteile verletzt auf dem Weg der Genesung sei.
Ein ungefähr 11-jähriges Mädchen brachte uns Milawi (Gebäck) und marokkanischen Tee (Grüntee mit Minze) und Mbark fing an, von seinen Erlebnissen am Tag des Bebens zu erzählen. Er hatte eine sehr große Beule am Kopf, die immer noch die Größe eines halben Tennisballs hatte.

Erlebnisse am Tag des Bebens

Mbark erzählte uns, dass sein Haus auf ihn gestürzt und er von den Trümmern am Kopf getroffen worden sei und bewusstlos war. Als er erwachte, war sein ganzer Körper in Schutt begraben, nur ein Teil seines Kopfes war frei. Er dachte zunächst, nur sein Haus wäre eingestürzt, und Verzweiflung übermannte ihn. Er sagte, in diesem Moment habe er einfach nur tot sein wollen. Er fragte sich, warum er noch am Leben sei, warum er nicht einfach direkt hätte sterben können.
Seine Wortwahl erinnerte mich an Marvins Worte... die Hoffnung nicht zu verlieren, ist in einem solchen Moment bestimmt eine unmögliche Aufgabe. Aber genau das ist Mbark dann doch gelungen.
Ein anderer Mann berichtete, dass er am Abend des Bebens bei seinem Bruder zum Abendessen gewesen sei und dessen Töchter ihm ganz stolz ihre neuen Kleidungsstücke gezeigt hätten, die sie sich für den nächsten Schultag bereits herausgelegt hätten.
Sie umarmten ihn mehrfach und sagten ihm immer wieder, wie lieb sie ihn hätten und baten ihn, doch bei ihnen zu übernachten. In der Erinnerung an den Abend sagte uns der Dorfbewohner:
„Ich hatte so ein komisches Gefühl im Bauch, als sie mich umarmten... ich wusste, irgendetwas war nicht gut. Irgendetwas sagte mir, da stimmt etwas nicht.“
Er entschied sich, trotz Bitten und Flehen seiner Nichten nicht bei ihnen zu übernachten.
Seine Nichten und sein Bruder haben das Erdbeben nicht überlebt.

Abderahim saß still und leicht gebückt direkt neben dem Zeltausgang, sein Gesicht zeichnet eine lange Narbe. Er sprach nicht und schaute dem Ausgang zugewandt mal vorsichtig zu der Runde am Tisch, mal hinaus, mal zum Boden. Seine Körperhaltung zeigte in Richtung Ausgang, nicht in unsere Richtung.
Die drei Familien haben ihren herzlichen Dank ausgedrückt.
Es liegt ein langer Weg zu einer „neuen Normalität“ vor ihnen und auch wenn sie diesen Weg alleine gehen werden, so habt ihr mit euren Spenden, von denen die Empfänger wissen, dass sie von Herzen kommen, ein Licht in Richtung Hoffnung gesendet.

Einen herzlichen Dank!!!!!

Text: Stefanie Guenak
Fotos: privat



Letzte Änderung: 05.11.2023